Madagaskar - 65% der Madagassen leben über zehn Kilometer von einer medizinischen Infrastruktur entfernt. Am Beispiel des Gesundheitszentrums von Ampanataovana beleuchten wir eine Tragödie, die sich hinter verschlossenen Türen abspielt.
Ich und das Koordinationsteam haben endlich unser Ziel erreicht: das Dorf Ampanataovana. Es liegt auf einer Höhe von 1750 m und begrüsst uns mit einer beissenden Kälte. Von Antsirabé aus mussten wir es in Richtung Osten mit 53 Kilometern steiniger und kurvenreicher Pistenwege und 250 m Höhenunterschied aufnehmen. Wegen dem schlechten Pistenzustand lag die maximale Geschwindigkeit auf der Fahrt im Durchschnitt bei 30 km/h.
In der Gemeinde Ambatomena leben 24'000 EinwohnerInnen. Die Gemeinde erstreckt sich über eine Fläche, die der Hälfte der Grösse des Kantons Genf entspricht. Die medizinische Versorgung wird von zwei Gesundheitszentren „gewährleistet“, darunter jenes von Ampanataovana! Die EinwohnerInnen haben es 1978 selbst gebaut. Seitdem hat sich wenig verändert. Das Zentrum empfängt jeden Monat 300 Patienten, 60 Frauen für vorgeburtliche Konsultationen, etwa 15 für die Geburt und etwa 100 Kinder für Impfungen. Wie sollen wir die Pflegebedingungen beschreiben? Das Dach des Gebäudes ist voller Löcher, die Decke schimmelig, die Fenster sind undicht und die Türen schliessen nicht.
Niemand will dorthin gehen, ausser er oder sie hat keine Wahl mehr. Die Bevölkerung zieht es vor, auf Selbstmedikation zurückzugreifen, mit allen damit verbundenen Risiken: Verschlimmerung der Beschwerden, Verzögerung der Diagnose, Vergiftung oder Schlimmeres.
Vor dem Ausbau der medizinischen Versorgung muss sichergestellt werden, dass die vorhandenen Strukturen funktionsfähig sind. Im Fall von Ampanataovana muss bei null angefangen und auf dem einzigen verlässlichen Elementaufgebaut werden: dem medizinischen Team unter der Leitung von Krankenschwester Hortense Fanirisoaniaina.
Nach unserem Besuch haben wir beschlossen, Massnahmen zu ergreifen. Es ist vorgesehen, für die Patienten ein neues Gebäude mit sieben Räumen zu errichten. Hinzu kommt auch der Bau von einer Unterkunft für Begleitpersonen. Alles wird mit den notwendigen Materialien ausgestattet. Dank Solarstrom wird Licht vorhanden sein und Geburten oder Notfalleingriffe müssen nicht mehr bei Kerzenlicht durchgeführt werden. Das Gesundheitskomitee und das medizinische Team werden ebenfalls von der Unterstützung profitieren.
Indem wir Frauen, Männer und Kinder kennenlernen, die sich in schwer vorstellbaren Situationen befinden, können wir Statistiken ein Gesicht geben. Gemeinsam schaffen wir es, Lösungen zu erarbeiten, um die Herausforderungen zu meistern. Für die 10'000 Einwohner der Region Ampanataovana zeichnet sich am Horizont ein Hoffnungsschimmer ab.
Xavier Mühlethaler
Übersetzt von Janine Teissl